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Zunder

Überfälle, Übergriffe, Überbleibsel
In ›Zunder‹ notiert Meienberg verschiedenartigste Gewalttätigkeiten, harsche Wirklichkeiten und geplatzte Träume. Es ist die Rede vom angeblichen Sieg der Alliierten im sauber präsentierten Golfkrieg, von unserer Gewöhnung an das tägliche Gemetzel und vom Tod der Mutter. Außerdem enthält ›Zunder‹ einen Brief an Salman Rushdie und einen anderen an den Chefredakteur von ›Oslobodjenje‹ in Sarajewo.
Mehr zum Inhalt
Die Ideologien sind zertrümmert, Gewissheiten verdampfen, den Medien kann man nicht trauen. Nichts ersetzt den Augenschein. Der Reisende Meienberg war seit 1991 widersprüchlichsten Eindrücken ausgesetzt und versucht, die Spuren des Wahnsinns zu entziffern, notiert die verschiedenartigsten Gewalttätigkeiten, harsche Wirklichkeiten und geplatzte Träume: die triumphal schäumende Siegesparade in Washington (nach dem Golfkrieg), den ethnischen Wahn in Karabach, die Angst im Strudel von Algier, die Entkörperlichung von Paris (Zerstörung von Paris), die Demontage (den Selbsthass) einer marxistischen Autorität namens Louis Althusser, die »verschiedenen Heimaten«, welche dem Schreibenden abhanden gekommen sind, die phantastischen Grenzen seiner Kindheit, einen Überfall auf seinen Verstand, während eines Esoterik-Seminars, und den Überfall auf seinen Körper im biederen Quartier von Zürich-Oerlikon. Er schreibt einen Brief an den tödlich bedrohten Salman Rushdie und einen andern an den Chefredakteur von ›Oslobodjenje‹, in Sarajewo, der seine Zeitung unter Todesgefahr macht. Von der Aufmerksamkeit des Staates, der ihn wahnsinnig blödsinnig überwacht hat, und vom Tod der Mutter ist die Rede. Ein bisschen viel Tod? Der lässt sich durch das Schminken der Zustände nicht aus der Welt schaffen, so vermutet der Reporter. Er hat ihm die Sprache nicht verschlagen. Und, so denkt vielleicht der Leser dieser Reportagen aus drei Kontinenten: Vielleicht gibt es einen Zusammenhang zwischen dem angeblichen Sieg der Alliierten im sauber präsentierten Golfkrieg und dem aufblühenden Fundamentalismus in Algerien; zwischen der Misere im Maghreb und dem Rassismus in den Vorstädten von Paris; zwischen dem Einsturz des marxistischen Denkgebäudes (Louis Althusser) und dem Wuchern der Esoterik (im Berner Oberland); zwischen der ethnischen Säuberung in Karabach, an die wir uns gewöhnt haben, und unserer Gewöhnung an das tägliche Gemetzel in Bosnien. Der Flickenteppich, das Gewebe, welches Meienberg uns hier schildert, hat einen gemeinsamen Nenner und einen Webfehler. Der Reporter ist ausgezogen, um dem Verschwinden der Wahrnehmung ein wenig abzuhelfen.

Taschenbuch
224 Seiten
erschienen am 28. März 1995

978-3-257-22775-8
€ (D) 8.90 / sFr 12.90* / € (A) 9.20
* unverb. Preisempfehlung