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Neu bei Diogenes: Donal Ryan »Die Sache mit dem Dezember«

Ein neuer irischer Autor mit seinem Debüt bei Diogenes. Der 39-jährige Donal Ryan widmet in Die Sache mit dem Dezember jedem Monat ein Kapitel. Innerhalb eines Jahres steigern sich die Ereignisse rund um die schüchterne Hauptfigur Johnsey, dessen Gedanken in ihrer Naivität rühren – in Tradition eines Forrest Gump.

Foto: © Anthony Woods

Donal Ryan hatte bereits ein paar Millionen Wörter niedergeschrieben, bevor er überhaupt dreißig war; er hat alles verbrannt. Als seine Frau von ihm wissen will, ob er wirklich ein Schriftsteller sei oder nur davon rede, setzt er sich in die Küche und schreibt innerhalb eines Jahres Die Sache mit dem Dezember. Ein Buch, das auch Schriftstellerkollegen wie Sebastian Barry begeistert:

»Donal Ryan ist ein Magier. Dieser Roman erfrischt das Herz des Lesers und macht seine Seele zu einem schöneren Ort, obwohl er uns gleichzeitig daran zweifeln lässt, ob wir überhaupt ein Herz und eine Seele besitzen. Das Buch ist eine Naturgewalt, von höchster Kunstfertigkeit und das Werk eines Talents, das Ihr Leben bereichern wird.«

Die Ausläufer der Wirtschaftskrise haben das kleine irische Städtchen fest im Griff, in dem John »Johnsey« Cunliffe lebt. Seine Gedanken sprudeln wie ein Wasserstrahl in seinem Kopf und wollen sich nicht zu Wörtern und Sätzen bändigen lassen. Deshalb sagt er meistens nichts. Kurz hintereinander hat er beide Eltern verloren und hockt nun allein auf dem von seinem Vater immer so vorbildlich bestellten Hof – am Ende einer langen Reihe hart arbeitender Ahnen und ohne Plan, wie sein Leben weitergehen soll.

Einsamkeit lag über der Welt wie eine Decke. Sie floss im Fluss durch die Auen hinunter zum See. Sie war im Matsch auf dem Hof und im Gestrüpp um den Heuplatz, und die leeren Wirtschaftsgebäude strotzten nur so davor. Drinnen im Haus lief sie die Wände hinab wie Tränen und auf den Außenwänden wuchs sie wie giftiges, schlingendes Unkraut. Sie war im Himmel und den Steinen und den Wolken und im Gras. Sie machte die Luft schwer: Man atmete ein und spürte, wie man an ihr ersticken konnte. Sie sammelte sich in Mulden wie Regenwasser. Sie legte sich auf das Gras und die Bäume und nahm ihre Form an, die Erde war mit ihr benetzt. Sie hatte einen Geruch wie das Innere eines Kochtopfes: abgeschabtes Metall, kalt und stechend.

Johnsey hält sich selbst für nicht ganz richtig im Kopf. Dabei ist er beileibe kein Dummkopf, eher jemand, der ein paar Dinge mit solcher Sicherheit weiß, dass er darüber vergisst, an andere, auch nicht unwichtige Dinge zu denken.

Einmal hatte Daddy, als er dachte, Johnsey könne sie nicht hören, zu Mutter gesagt, er sei eben ein sehr stiller Junge. Mutter musste wieder darüber geschimpft haben, dass er so ein Hornochse war, und Daddy verteidigte ihn. Er hatte die Zärtlichkeit in Daddys Stimme gehört. Aber Zärtlichkeit konnte man auch für eine Missgeburt von einer Promenadenmischung empfinden, die man am besten direkt nach der Geburt ertränkt hätte.

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Dann wird Johnsey von der Dorfjugend so brutal zusammengeschlagen, dass er beinahe sein Augenlicht verliert. Ein Umstand, der sich für den liebenswerten Simplicissimus jedoch als Glück erweist, denn im Spital lernt er die Krankenschwester Siobhán kennen, die ihn mit ihrer Stimme und ihrer Freundlichkeit verzaubert.

Diese Stimme war purer Balsam. Man konnte einfach nur daliegen und zuhören und sich darin verlieren. Man konnte sie schon von weitem auf dem Flur hören und lauschen, wie sie begleitet von unbeschwertem Lachen und Begrüßungen und köstlichen Worten näher kam. Und das war es, was Johnsey für den Rest dieses langen Aprils tat: Er lauschte nach der Schönen Stimme und wartete darauf, dass das Licht zurückkam.

Doch während Johnsey langsam gesund wird und sich in Siobháns Aufmerksamkeiten sonnt, entbrennt ein erbitterter Kampf um das Land seiner Eltern, das plötzlich Kernstück eines riesigen Investitionsprojekts ist. Die Ereignisse überrollen Johnesy, der unfähig ist, für sich selbst zu sprechen.

Menschen konnten eine ganz schöne Zumutung sein. Alles wäre bestens gewesen, wenn man sie nur im Fernsehen hätte angucken müssen. Aber wenn sie das Land des eigenen Vaters kaufen wollen und Dinge über einen in der Zeitung verbreiteten und einen unten im Dorf heruntermachten […] und einen mit offenem Mund anstarrten, während sie auf eine Reaktion warteten oder eine Antwort oder ein Lachen, oder dass man etwas tat, zu dem man auch in einer Million Jahren nicht fähig sein würde, dann konnten sie einen fix und fertig machen. Sie walzten einen einfach nieder.

»Inmitten des unermüdlichen Auf und Ab der Sätze finden sich Formulierungen, die von großem Geist zeugen. Es ist eines dieser wunderbaren, ernsthaften und ganz und gar authentischen Bücher, bei denen man laut herauslachen möchte. Bücher, in denen Humor so natürlich ist wie in einem Gespräch, gibt es nur wenige. Ryan hat eine Art ›sechsten Gang‹, den er mit meisterlicher Zurückhaltung nutzt, vielleicht nur ein halbes Dutzend Mal in diesem Buch, wenn sich die Erzählung aus dem Irdischen in den Himmel erhebt.«

Er setzte sich in den Sessel auf der Seite des Kamins, die weiter weg war vom Hoffenster, Daddys Winchester im Schoß, wie man vielleicht ein kleines Kind im Arm wiegen würde, und seine linke Hand lag auf seiner rechten Hand auf dem Kolben, und der Lauf ruhte in seiner linken Armbeuge, und es war irgendwie tröstlich, so dazusitzen, mit dem kalten Gewicht auf den Beinen, und es war schön dunkel am Ende des Raumes, wo das schwache Winterlicht nie hinreichte, und er fragte sich, wie es wohl wäre, sich die weiche Dunkelheit über den Kopf zu ziehen wie eine Decke und darunter zu verschwinden.

 

Die Zitate von Sebastian Barry stammen aus dem Artikel The Thing About December by Donal Ryan – review, erschienen in The Guardian am 8.1.2014. Übersetzt von Anna-Nina Kroll.

 

Die Sache mit dem Dezember erscheint am 25.2.2015, auch als E-Book. Im April stellt Donal Ryan seinen Roman auf einer Lesereise in Deutschland und in der Schweiz vor.

Tags Neuheit