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»Das gefährlichste Abenteuer des Lebens« – Stefan Bachmann über die abenteuerlich-alptraumhaften Gefahren des Erwachsenwerdens

Stefan Bachmann, bekannt durch seine Steampunk-Fantasyromane Die Seltsamen und Die Wedernoch, legt mit Palast der Finsternis sein drittes Buch vor. Es erzählt von fünf jungen Leuten mit außergewöhnlichen Begabungen, die glauben, sie seien für geheime Forschungsarbeiten an einem unterirdischen Palast in Frankreich ausgewählt worden. Doch was sie hinter der Tür mit dem Schmetterlingswappen tatsächlich erwartet, können sie sich in ihren kühnsten Alpträumen nicht vorstellen.

Stefan Bachmann, Ihr drittes Buch liest sich wie ein spannendes, rasantes Action-Adventure auf zwei Zeitebenen. Geschildert von zwei Ich-Erzählerinnen – die eine im 18. Jahrhundert, die andere in der Gegenwart. Was hat Sie zu diesem Roman und dem unterirdischen Labyrinth, in dem Zeit und Raum ineinander fallen, inspiriert?

Stefan Bachmann: Es klingt albern, aber die Idee kam mir im Traum. Ich träumte von einer Gruppe Jugendlicher, die einen vergoldeten Korridor entlangrannten. Ich wusste, dass der Korridor unter der Erde war – es gab keine Fenster, nur Spiegel –, und mir war klar, dass die Kinder gefangen und verängstigt sein mussten, aber ich wusste nicht, wovor sie wegliefen oder wie sie dort hingekommen waren. Plötzlich stellt sich ihnen eine blasse Gestalt in opulenter französischer Rokoko-Kleidung in den Weg.
Der Traum endete dort – aber was passierte als Nächstes? Wer waren die Teenager und diese französische Person? Ich hatte bereits viele kleine Teile, und dann wurde es eine Art Puzzle für mich, alle Elemente in einer Geschichte zusammenzufügen.

Palast der Finsternis ist nicht nur ein Suspense-, sondern auch ein Coming-of-Age-Roman. Inwieweit geht es um Erwachsenwerden und Identitätsfindung?

Für mich ist es ein Buch über Familie – wie andere dich prägen, ob du dieser Prägung entfliehen kannst oder ob du darin wie in einem Teufelskreis gefangen bist. Es ist ein Action-Buch, und ich möchte nicht vorgeben, es sei tiefsinnig oder metaphorisch, doch im Großen und Ganzen ist es für mich eine Dramatisierung des Erwachsenwerdens und der Emanzipation. Die Falltüren, Spiegelsäle, Monster, Irrgärten und bösen Erwachsenen, gegen die die Jugendlichen sich allein und gemeinsam behaupten müssen, stehen für mich für das Abenteuer Erwachsenwerden an sich. Dafür, wie gefahrvoll es sich anfühlt, sich seinen eigenen Platz im Leben zu erkämpfen und zu mehr als nur einem Produkt des eigenen Umfelds zu werden.

Foto: Maurice Haas / © Diogenes Verlag

Anouk, die später zur todesmutigen Heldin wird, ist eine scharfzüngige Einzelgängerin. Wie sind Sie zu dieser frechen Hauptfigur gekommen?

Die Figur Anouk hat mir Spaß gemacht. Sie ist die meiste Zeit ein bisschen schroff. Ich mag gemeine Charaktere, auch Hauptcharaktere. Für mich ist es nicht unbedingt interessant zu lesen, wie eine Figur nett und freundlich geworden ist. Ich würde viel lieber herausfinden, was einen Charakter wütend oder bitter gemacht hat. Ich wollte eine Hauptfigur, der egal ist, ob sie sympathisch wirkt, die sich aber in schwierigen Situationen behauptet.

Die Parallelwelt von 1789, die Anouk und die anderen Jugendlichen erforschen sollen, ist bis ins Detail ausgearbeitet. Wie sind Sie vorgegangen?

Das Schloss basiert auf Versailles. Ich schrieb den ersten Entwurf dieses Buches im Jahr 2013 und ging gleich anschließend nach Versailles, um zu schauen, ob ich noch irgendwelche neuen Details einarbeiten könnte. Ich habe das Buch danach noch viele Male umgeschrieben. Ich glaube, mein Palast zeigt nicht mehr viele Gemeinsamkeiten mit Versailles, abgesehen von der Opulenz und Weitläufigkeit. Aber es war überwältigend zu sehen, wie gigantisch die Außenanlage des Sonnenkönigs ist. Mich fasziniert weiterhin, dass zehntausende Menschen aller Gesellschaftsschichten, eigentlich die Bevölkerung einer ganzen Stadt, unter einem Dach lebten.

Foto: Pierre Patel [Public domain], via Wikimedia Commons

Folgende drei Fragen haben vermutlich auch Ihre jungen Protagonisten beantworten müssen, um sich für die Expedition zum unterirdischen Palast zu bewerben. Wie würden Sie diese Fragen für sich beantworten:

Kannst du auch in riskanten Situationen Ruhe bewahren?

Bei weniger wichtigen Angelegenheiten (also meistens) bin ich sehr nervös. In wirklich schlimmen Situationen werde ich eher stoisch. Ich denke, ich würde in den Situationen im Buch schon Ruhe bewahren, wenn auch nur aus Schock.

Besitzt du besondere Talente, von denen niemand weiß?

Ich habe eine besonders breite Auswahl von Beerdigungsmusik auswendig lernen müssen, da mit 15 mein erster Job war, für meine Orgelprofessorin an Beerdigungen einzuspringen. Ob mir das im Palast der Finsternis helfen würde? Vielleicht schon.

Hast du den Ehrgeiz, etwas zu tun, was noch niemand vor dir gewagt hat?

Nein. Ich mag es ruhig. Dafür sind Bücher super. Man kann alles tun und muss dafür gar nicht erst aufstehen.

Neben dem Schreiben schlägt Ihr Herz auch für die Musik – Sie schließen diesen Sommer Ihr Musikstudium in Zürich ab und für Palast der Finsterns (im engl. Original A Drop of Night) haben Sie extra einen Song komponiert. Wie ist es dazu gekommen? Wussten Sie gleich, wie er klingen muss, was transportiert der Song für Sie?

Das wurde 2015 von meinem amerikanischen Verlag gewünscht. Ich habe keine Ahnung von der Produktion von Popmusik, obwohl ich Pop sehr schätze neben der klassischen Musik meines Studiums. Hat man Ahnung, wird man bei meinem Lied viele Fehler bemerken, vor allem beim Mix. Jedoch war es lustig auszuprobieren.

Selber singen war keine Option?

Bei diesem Lied nicht, da es aus der Sicht der Hauptdarstellerin Anouk sein sollte. Vielleicht wird sich aber mal eine Gelegenheit ergeben.

 

Ist das Schreiben von Romanen vergleichbar mit der Komposition von Musik?

Ja. Man versucht eine Sichtweise weiterzugeben, einen Kern zu finden und diesen auszuarbeiten, bis eine eigene kleine Welt daraus wird. Für eine Weile dachte ich, Musik sei die weniger konkrete Version dieser beiden Kunstrichtungen, doch eigentlich ist das nicht so. Was ich mit meinen Büchern oder meiner Musik erreichen möchte, ist die Realität nicht ab-, sondern nachzubilden, indem ich sie steigere, verfremde, umbaue, sodass der Leser oder Hörer, obwohl sie fiktiv ist, daraus für sich seine Wahrheit schöpft.

Wie bekommen Sie das alles unter einen Hut? Schreiben, komponieren, studieren, Veranstaltungen – schlafen Sie überhaupt oder tun auch mal nichts?

Die Zeit, in der ich Palast der Finsternis schrieb, war schon sehr stressig neben dem Studium, Deadlines, Rezitalen usw. Die Hauptdarstellerin ist dementsprechend negativ und genervt von der Welt. Ich habe jetzt aber eine bessere Balance gefunden und schreibe wieder nettere Charaktere.

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Das Interview mit Stefan Bachmann führten Anna von Planta und Kerstin Beaujean, Juli 2017. © by Diogenes Verlag AG, Zürich

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Stefan Bachmann, geboren 1993 in Boulder/Colorado, lebt in Zürich, wo er seit seinem 11. Lebensjahr das Konservatorium besucht (und dort inzwischen den Bachelor in den Fächern Orgel und Film-Komposition absolviert). Sein von der Liebe zu Steampunk und Charles Dickens inspiriertes Debüt, Die Seltsamen, war ein Riesenerfolg in den USA und auch in Deutschland.

Palast der Finsternis ist am 23.8.2017 erschienen, aus dem Amerikanischen übersetzt von Stefanie Schäfer. Auch als ebook.

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