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Ein Ungeheuer namens Angst – Daan Heerma van Voss über Anxiety

Woher kommt dieses Ungeheuer, das mich seit meiner Kindheit begleitet? Diese Frage stellt sich der niederländische Journalist, Historiker und Autor Daan Heerma van Voss und geht auf autobiographische Spurensuche. In seinem erzählenden Sachbuch Die Sache mit der Angst, das am 22.3.2023 auf Deutsch erscheint, nimmt er sich dem hochaktuellen Thema ›Angst‹ an. Denn allein in Europa sind 60 Millionen Menschen davon betroffen. 

Wie seine persönliche Reise begann, das erfahren wir in dieser Leseprobe.

Foto: © Eva Roefs

(Auszug Seite 9 bis 11)


»Nachts klappere ich mit den Zähnen, morgens schrecke ich nass geschwitzt aus dem Schlaf. Wenn meine Freundin aufstehen will, versuche ich sie jedes Mal zu überreden, noch ein Weilchen liegen zu bleiben, nicht lange, nur ganz kurz. Lediglich abends fühle ich mich gut, weil ich dann wieder einen Tag überstanden habe, und offenbar bin ich der Ansicht, dass mir dafür irgendein Orden zusteht.

Aber ich komm doch klar. Sie meint, das tue ich nicht.
»Ich halte meine Verabredungen doch ein?«
»Du hast tagtäglich im Treppenhaus eine Panikattacke.«
»Das hörst du?«

Sie rollt mit den Augen. Ich weiß, dass sie mein Keuchen hört, und sie weiß, dass ich das weiß. Vielleicht hoffe ich, dass oben an der Treppe ihr Gesicht erscheint, vielleicht kann ich auch einfach nicht anders. Oder stelle ich mich an? »Wenn du mich fragst, hast du Angst, in dein Arbeitszimmer zu gehen.« Sie hat recht. Zu lange habe ich für meine Arbeit gelebt. Die Euphorie nach der Einhaltung eines Abgabetermins, dieser Dopaminrausch, ließ mich immer wieder neue Aufträge annehmen. Als ich dieses Muster durchschaute, beschloss ich, keine Schwäche zu zeigen, und nahm erst recht mehr Aufträge an. Die Folge war, dass ich eines Tages, ein paar Monate vor dem heutigen Tag, ganz aufgehört habe, mit allem. Ich hatte keine neuen Pläne, keine Ideen, fand aber auch keine Ruhe; noch nicht mal Langeweile empfand ich. Keine Konzentration, aber auch keine Entspannung. Gehetzte Untätigkeit, ein nervöses Nichtstun, das mich nur müde machte. Freunde mit solidem Leben empfahlen Hobbys wie Holzhacken oder kleinere handwerkliche Arbeiten und sahen mich erwartungsvoll an. Weil ich nicht ständig über meine Gefühle reden wollte und jedes andere Gesprächsthema sich banal oder sogar unecht anfühlte, sagte ich in Gesellschaft wenig. D. fand es in zunehmendem Maße schade, dass die Menschen nicht bemerkten, »wie nett ich sei«. Irgendwann hörte sie auf, dies zu sagen.

Ich zog mich in mein Zimmer zurück, das die Bezeichnung »Arbeitszimmer« nicht mehr verdiente. Ich hörte Podcasts und Nachrichtensendungen, schuf mir einen Nebel aus angenehmen Stimmen, über deren Lautstärke ich entschied und die nie schwiegen. Solange diese Stimmen erklangen, brauchte ich mich nicht zu fürchten. Solange es Abend war, brauchte ich mich nicht zu fürchten. Solange sie bei mir war, brauchte ich mich nicht zu fürchten.«

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Die Sache mit der Angst

Und wie ich lernte, damit zu leben

Daan Heerma van Voss, geboren 1986, ist Autor, Journalist und Historiker und gilt in den Niederlanden als eine der wichtigsten Stimmen seiner Generation. Er schreibt regelmäßig für internationale Publikationen wie The New York Times, Pen International, Haaretz und Svenska Dagbladet. Seine journalistischen Texte wurden mit dem renommierten De Tegel-Preis ausgezeichnet. Die Sache mit der Angst ist sein erstes Sachbuch.

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