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»Die Entdeckung Fausers traf mich tief«
Schriftsteller Clemens Meyer über Jörg Fauser

Ein neuer Band aus der großen Fauser-Edition

Das Weiße im Auge enthält Jörg Fausers Erzählungen von 1980-87. Dreiundzwanzig Geschichten, in denen denen der Autor charmant bis grantig die großen Themen des Lebens abhandelt. Noch einmal mehr als in den frühen Geschichten ist hier Fausers ganz eigener Sound und sein großes Herz lesend zu spüren.

#fauserlesenjetzt

Foto aus dem Nachlass: Fauser Archiv

Auszug aus dem Nachwort von Clemens Meyer:

»Die Entdeckung Fausers traf mich tief. Es muss um das Jahr 2007 gewesen sein, Fauser war seit ungefähr dreißig Jahren tot, ich selbst Anfang dreißig. Heute frage ich mich, warum Jörg Fauser so lange im Dunkeln wartete auf mich. Lag es daran, dass er im Osten nicht erschien, nach der Wende im Osten erst entdeckt werden musste? Warum aber kam er während meines Studiums am Deutschen Literaturinstitut Leipzig überhaupt nicht vor, warum wurde er nie in einem Seminar erwähnt, war er denn nicht aufregende, durchaus große Literatur? Was war mit Fauser, und wer war Fauser? Romane, Gedichte, Erzählungen …
     Der Weg durch die Literatur ist ja eine Entdeckungsreise. Für die Leser, aber auch für die Schreiber selbst, die sich in Kollegen wiederfinden, Freundschaften mit den meist toten Meistern schließen.
     Und so rechnete ich, als ich um 2007 endlich Jörg Fauser fand, oder seine Literatur mich: Wie alt wäre der Meister Fauser gewesen, wenn wir uns hätten treffen können? Dean Martins Ausspruch »Begrabt mich hinter der Theke!«, den ich als Jugendlicher mit der nötigen Altklugheit zu meinem Mantra machte, traf auf Fauser ja (leider) irgendwie zu. Nur dass die Theke immer länger wurde, sich ins Betonband der Autobahn verwandelte.
     Wenn ich zu lange drüber nachdachte, träumte ich nachts von einem Mann im Trenchcoat, der mit ausgebreiteten Armen auf der Leitplanke balancierte …

Foto aus dem Nachlass: Fauser Archiv

»Es gilt einen Mythos zu bewahren: den des feinen Literaten Fauser.« Aus den Nachwort von Clemens Meyer in Das Weiße im Auge 

Dieser Ärger, der mich bei meiner Entdeckung überkam: Was hätte dieser große Schreiber nicht noch alles schreiben können! Was hätte er für Stoff in den Nachwendewirren gefunden. Der Schneemann in diesem wilden Osten, der ja einem Schlangenmaul glich, beziehungsweise im Schlangenmaul der großen westdeutschen GmbHs verschwand. Wie sehr hätten Fauser die jugoslawischen Zerfallskriege erschüttert, der Strom der Waffen und des Geldes … Und was hätten wir, also Fauser und ich, uns unterhalten können, über Literatur, Filme (wie er verehre ich den heiligen Jean-Pierre Melville), die Pferderennbahnen, die Liebe, die Nacht, das ganze einfache und schwierige Leben, so wie wir es bei Fauser lesen, finden, sehen, träumen … Und als ich dann endlich einmal in der Münchener Bar Schumann’s weilte und den Chef nach Fauser fragte, war ich enttäuscht, dass der Laden nun woanders lag – als ob ich Fausers Geist erspüren wollte. (Als in Leipzig vor einigen Jahren kurzzeitig eine Art Bar-Restaurant namens Fauser eröffnete, begriff ich dann aber schnell, dass der wahre Fauser wahrscheinlich eher in den Eckkneipen und Gartengaststätten, den Rennbahnbistros und Wettbüros, den Stehbierkantinen und den engen Taschentuchdielen zu Hause war.
     Doch wir müssen mit einem Mythos aufräumen. Dem des Milieu-Schreibers Fauser. Des Trinker-Literaten, des Bukowski-Wiedergängers. Und es gilt einen Mythos zu bewahren: den des feinen Literaten Fauser.
     »Ich bin früh aufgestanden und herumgelaufen, ohne
etwas zu sehen.«
     Dass dieser Satz aus einer von Fausers Kurzgeschichten, sogar über die Bande Proust zitiert, hätte Fauser wahrscheinlich von sich gewiesen. Fauser war ja unfassbar belesen, keine Frage. Wir brauchen nur seine unzähligen (es müssen tausende sein!) Rezensionen, Betrachtungen zu Literaten und Literatur lesen.«

Weiterlesen? Das ganze Nachwort hier zum Download.

Copyright © Nachwort Clemes Meyer und Diogenes Verlag AG Zürich

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Das Weiße im Auge

Erzählungen 1980–87

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