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Geld, Korruption und Mord. Anthony McCarten schreibt in »Licht« über den Verrat von Idealen

Der eine erleuchtet mit seiner Erfindung die Welt, der andere ist ein Genie des Geldes. Während der Bankier J. P. Morgan in Anthony McCartens neuem Roman Licht aus der Begegnung mit Tüftler Thomas Edison als reichster Mann der Welt hervorgeht, lässt sich der Erfinder der Glühbirne von der schillernden Welt seines Partners verführen und setzt nicht nur seine Erfindungskraft, sondern auch seine Liebe und sein Seelenheil aufs Spiel.

Foto: © Privat
Licht ist die Geschichte von zwei sehr unterschiedlichen Männern, die sich treffen, um die Welt zu verändern. Wie sind Sie zu diesem Thema gekommen?

Anthony McCarten: Ich war in Los Angeles und hatte gerade die Arbeit an meinem ersten Roman Liebe am Ende der Welt kurz zur Seite gelegt, um das miserable Basketballmatch der Los Angeles Lakers auf Channel Nine zu sehen. Danach schaltete ich benommen durch die Kanäle und blieb beim History Channel hängen, der ein eingefrorenes Schwarzweiß-Bild von Männern mit Melonen auf den Köpfen zeigte, die im New York des Goldenen Zeitalters, um 1880, die Madison Avenue in Formation entlangmarschierten. Das Bemerkenswerte an dem Bild und an den Männern war, dass auf jeder Melone eine leuchtende Glühbirne saß. Es stellte sich heraus, dass es sich um Angestellte des Erfinders Thomas Edison handelte, die dafür bezahlt wurden, die Sicherheit des neuesten »Leuchtmittels« und, noch wichtiger, die Sicherheit der Elektrizität an sich unter Beweis zu stellen und zu bewerben.

Elektrizität war zu dieser Zeit eine kaum verstandene Neuheit und wurde von vielen für eine Flüssigkeit gehalten, die aus Drähten sickern konnte, von Möbeln absorbiert wurde und einen beim Hinsetzen auf der Stelle tötete. Edison wollte die Welt verändern. Wie sich herausstellte, tat er das wirklich. Aber auf weit vielfältigere Art und Weise – positiv wie negativ – als er angenommen hatte.

Links: Thomas Edison in seinem Labor (1901), rechts: J.P. Morgan, der sich nicht gerne fotografieren liess.

Thomas Edison und J.P. Morgan – ein genialer Erfinder und ein Genie des Geldes: Was ist das Besondere an diesen beiden Figuren? Was hat sie zusammengeführt?

Durch Edisons Beziehung zum ersten großen Superbanker der Welt, J.P. Morgan, wurde die Verwirklichung eines doppelten Traums möglich: von einer elektrifizierten Welt, die von riesigen Konzernen beherrscht wird, deren vereinte Macht größer als die der Regierungen ist. Beide Träume gingen in Erfüllung – die Demonstranten der jüngsten Occupy-Bewegung werden dies bestätigen, ebenso auch Ihr Kontostand. Seit ich diese Dokumentation gesehen und nachdem ich mich durch einen Berg historischer Literatur gelesen habe, betrachte ich das Amerika der 1880er Jahre als Startpunkt der modernen Welt.

Das wiederaufgebaute Menlo-Park-Labor im Freilichtmuseum Greenfield Village, Dearborn. Foto: Andrew Balet, Menlo Park Laboratory, CC BY-SA 2.5

Ließ sich Edison von der Welt seines Partners verführen? Mit welchen Folgen?

Ich habe die These, dass das Angebot einer nahezu unbegrenzten Geldmenge an sich und aus sich heraus korrumpiert. Ich glaube, Edison wich bewusst von seinen ethischen Prinzipien ab, weil er dachte, dies sei nur vorübergehend. In meinem Roman Licht verwende ich das Bild der Zündflamme als Metapher für Edisons moralischen Kern – ein Licht, von dem er überzeugt ist, dass es sogar dann weiterbrennt, wenn er die Flamme seiner Prinzipien herunterdreht. Nur läuft es meistens nicht so. Zündflammen sind ebenfalls anfällig.

Letztlich hat Morgan lediglich Schwächen Edisons ausgenutzt, die fast jeder kennt. Das erinnert mich an eine Zeile von Groucho Marx: »Das hier sind meine Prinzipien. Falls sie Ihnen nicht passen, habe ich andere.«

1898: Der elektrische Stuhl wurde von Edisons Mitarbeiter Harold P. Brown entwickelt. Edison und George Westinghouse, der den Wechselstrom propagierte, lieferten sich damals einen erbitterten Streit darüber, welche Stromart sicherer in der Anwendung sei.

Geld, Korruption und Mord – wie hat Ihnen die Arbeit an einem Thriller gefallen?

Es war aufregend. Und es rief viele alte Gefühle in mir wach. Irgendwann in meiner Studienzeit wurde mir klar, dass Großkonzerne, insbesondere im multinationalen Finanzsektor, zu den Hauptfeinden globaler Gerechtigkeit gehören. Damit stellte sich die Frage: Wo kommt dieses System her? Wer hat es erfunden? Wann? Warum? Die guten alten vier W.

Ich lernte, dass das Amerika der 1880er Jahre den Höhepunkt des Goldenen Zeitalters, eine Schlüsselepoche für die Geschichte der modernen industrialisierten Welt darstellt. Es war die Zeit, in der Bankiers aufhörten, bloß langweilige Hüter unseres Geldes zu sein. Sie wurden interessant. Und gefährlich.

Es gibt fast zu viele Parallelen zu den heutigen wirtschaftlichen Problemen. Ein renommierter US-Ökonom beobachtete 1880 (es hätte aber genauso gut 2012 sein können) »ein weit verbreitetes Gefühl von Unruhe und aufkeimender Revolution« in der Gesellschaft im Allgemeinen. Der Grund für diese Feindseligkeit? Das große Missverhältnis zwischen Arm und Reich. Zudem hatte es in allen Bereichen der Geschäftswelt, in Regierung und Presse, hatte es Korruption gegeben. Es gab Streiks. Spontane Krawalle brachen aus. Selbst jene Politiker, die man eingesetzt hatte, um Korruption aufzudecken, wurden als bestechlich entlarvt. Kommt dem heutigen Leser irgendetwas davon vielleicht bekannt vor?

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Neben Romanen schreiben Sie auch Drehbücher und Theaterstücke: Woran arbeiten Sie momentan?

Ich arbeite derzeit an einem Film über Papst Franziskus und Papst Benedikt, genauer gesagt geht es um eine imaginäre Debatte zwischen den beiden kurz bevor Franziskus – damals noch Kardinal Bergoglio – das Amt des Papstes angetragen wurde. Dieses Filmprojekt wird von Netflix finanziert und vom brasilianischen Regisseur Fernando Meirelles umgesetzt. Ich habe auch ein Drehbuch über Freddie Mercury und die Band Queen geschrieben, das noch in diesem Jahr von Bryan Singer verfilmt werden soll. Und ich arbeite an einem neuen Roman, inspiriert von Arthur Schnitzlers Der Reigen, der im Wien von 1900 und im heutigen New York spielt.

 

Das Interview mit Anthony McCarten geführt und aus dem Englischen übersetzt hat Janina Bradacs, Januar 2017 © by Diogenes Verlag AG Zürich

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Anthony McCarten, geboren 1961 in New Plymouth/Neuseeland, schrieb als 25-Jähriger mit Stephen Sinclair den Theaterhit Ladies Night, in der unautorisierten Filmadaption (The Full Monty/Ganz oder gar nicht) eine der weltweit erfolgreichsten Filmkomödien. Es folgten weitere Romane, Theaterstücke sowie Drehbücher (u. a. zum internationalen Filmhit The Theory of Everything, Nominierung für die ›Beste Drehbuchadaption‹). Er lebt in London und München.

Licht, aus dem Englischen von Manfred Allié und Gabriele Kempf-Allié, ist am 22.2.2017 erschienen. Auch als ebook.

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