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Bierkultur im Mittleren Westen
Ein Interview mit J. Ryan Stradal

Die Bierkönigin von Minnesota von J. Ryan Stradal ist das Porträt dreier unbeirrbarer Frauen, die den Markt mit einzigartigen Craft-Bieren aufmischen. Ein Lied auf das Leben, ein Roman über mutige Frauen und große Emotionen. Im Interview erzählt der Autor mehr über die Hintergründe seines neuen Romans, die Craft Beer-Kultur in den USA und seine Liebe zu Kulinarik.

Foto: © Franco P Tettamanti

Sie haben einen Roman zum Thema Craft Beer geschrieben. Was hat Sie zu dazu inspiriert?

J. Ryan Stradal: Wie viele Schriftstellerinnen und Schriftsteller habe ich ein Buch geschrieben, weil ich Fragen, aber keine Antworten hatte. Als ich 2015 für meinen Debütroman Die Geheimnisse der Küche des Mittleren Westens durch die USA tourte, bemerkte ich überall die vielen Craft-Beer-Brauereien. Ich war nicht nur von den lokalen Besitzern und dem einzigartigen Bier fasziniert, sondern auch davon, wie sehr sie sich von den Bars und Kneipen, mit denen ich in Minnesota aufgewachsen war, unterschieden. Denn diese Orte waren hell, heiter und familienfreundlich, oft mit Live-Musik und Veranstaltungen. Ich wollte alles über sie lernen. Also erfand ich drei Charaktere und schickte sie auf eine Reise, um mir etwas beizubringen.

In Die Geheimnisse der Küche des Mittleren Westens, Ihrem Debütroman, spielt die Kulinarik eine große Rolle. In diesem zweiten Roman ist das Brauhandwerk das zentrale Thema. Woher rührt Ihr Interesse für Themen rund um Ess- und Trinkkultur?

Das ist für mich schwer zu beantworten, denn mein ganzes Leben lang habe ich Essen und Restaurants geliebt. Ich bin mit extrem fadem Essen bei meinen Eltern aufgewachsen, und sobald ich Auto fahren konnte, habe ich meinen kulinarischen Horizont regelmäßig in interessanten Restaurants mit meiner Highschool-Freundin Stacy erweitert. Einen übermäßigen Teil meines Teenager-Einkommens gab ich für nordafrikanisches Essen, griechisches Essen und Sushi aus. Wir träumten davon, die Welt zu bereisen, und genossen das Gefühl, irgendwo anders zu sein, auf eine Weise, die wir uns leisten konnten. Wir liebten Essen, das mit nichts vergleichbar war, was wir zuvor kennengelernt hatten.

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Die Bierkönigin von Minnesota

Die deutsche Bierkultur war lange Zeit sehr traditionell. Mittlerweile gibt es auch in Deutschland eine Craft-Beer-Szene. Wie steht es um die Bierkultur im Mittleren Westen? Können Sie uns in ein paar Worten etwas darüber erzählen?

Wahrscheinlich hat sich keine andere Lebensmittelbranche in diesem Jahrhundert so stark weiterentwickelt. Sie hat sich viel von der traditionellen deutschen Bierkultur abgeschaut, was meiner Meinung nach eine großartige Sache ist.

Wie sah die Recherche für die Geschichte aus, und gibt es etwas, das Sie besonders am Handwerk Bierbrauen oder der Craft Beer-Szene interessiert?

Zweieinhalb Jahre lang habe ich mehr als drei Dutzend Craft-Brauereien in den Vereinigten Staaten besucht. Bei den Recherchen habe ich viel Bier getrunken, weit mehr, als ich normalerweise konsumiere. Ich habe mich in diese Branche verliebt. Besonders gefällt mir, wie viele Craft-Brauereien für die Bewohner kleinerer Gemeinden zu einem dringend benötigten »dritten Ort« außerhalb vom Zuhause oder der Arbeit geworden sind. Da viele Städte durch Ketten und Konzerne homogenisiert werden, ist es eine emotionale und spirituelle Bereicherung, ein florierendes Geschäft zu haben, das einladend, einzigartig und in lokalem Besitz ist.

Haben Sie dabei selbst gelernt, ein Bier zu brauen? Womöglich sogar das Grandma Edith’s Rhubarb Pie-in-a-Bottle-Ale, das am Ende des Romans in Flaschen abgefüllt wird?

Traurigerweise nein. Außerdem wüsste ich nicht, was ich brauen könnte, das ich nicht auch innerhalb einer dreißigminütigen Fahrt von meinem Haus in Burbank entfernt kaufen könnte. Es gibt eine Brauerei in der Nähe in Monrovia namens OverTown, und sie haben ein Rhubarb Pie in a Bottle kreiert, also ist auch das schon erledigt.

Bild von Veeka Skaya auf Pixabay

Grandma Edith, eine der Protagonistinnen, ist der Inbegriff eines hilfsbereiten, selbstlosen und fürsorglichen Menschen. Das Wohlergehen anderer Menschen liegt ihr mehr als alles andere am Herzen. Dafür steckt sie viel zurück. Gab es ein Vorbild für die Figur der Edith, und wofür steht sie?

Edith basiert hauptsächlich auf meiner Mutter Karen, und meinen Großmüttern Doris und Esther. Ich wollte schon immer einen Roman über Frauen wie sie lesen, also habe ich sie (und ihre besten Eigenschaften) in einer Person vereint. Esther war eine stoische und hart arbeitende Frau, während Doris, die wie Edith in der Küche eines Pflegeheims arbeitete, eher die rücksichtsvollen und subtil nachdenklichen Eigenschaften dieser Figur verkörpert. Der Einfluss meiner Mutter ist der Leim, der diesen Charakter zusammenhält. Sie war unglaublich belastbar, gutmütig und umgänglich. Alles Eigenschaften, die ich in meiner Hauptfigur zuschreiben wollte.

Um ihren Lebensunterhalt bestreiten zu können, müssen Edith und ihre Enkelin Diana viel arbeiten. Edith hat mehrere Jobs gleichzeitig. Diana jobbt neben der Schule und bessert das Einkommen durch gelegentliche Diebstähle auf. Als Diana neue Freundschaften schließt, wird ihr bewusst, wie groß der finanzielle Unterschied zu anderen Menschen ist. Welche Rolle spielt die Schere zwischen Arm und Reich im Mittleren Westen der USA?

Die Schere zwischen Arm und Reich ist beträchtlich, und wird selten diskutiert. Die meisten Menschen im Mittleren Westen betrachten es als unhöflich, über Geld zu sprechen. Das gilt auch für die Medien, die selten adäquat über Klassenunterschiede berichten. Als jemand, der als Kind aus der verarmten Mittelschicht stammte, war ich besonders motiviert, über meine Erinnerungen und Beobachtungen zu schreiben. Darüber, dass es in diesem Land nur allzu häufig vorkommt, dass man einen Vollzeitjob oder mehrere Jobs hat und kaum davon leben kann. Das Thema begegnet mir in der Belletristik nicht oft. Vermutlich weil Menschen aus armen Verhältnissen oder aus der Arbeiterklasse seltener Romanautoren werden. Sie sind zu sehr damit beschäftigt, das Essen auf den Tisch zu bringen.

Bild von Francois Rossouw auf Pixabay

Der Roman spielt im Mittleren Westen, wozu unter anderen die Bundesstaaten Kansas, Missouri, Indiana und Minnesota gehören. Sie sind dort aufgewachsen. Ist es wichtig für Sie, über die Region zu schreiben, die Sie kennen?

Teilweise, da ich immer noch das Gefühl habe, dass er missverstanden wird und unterrepräsentiert ist. Glücklicherweise gibt es inzwischen immer mehr Autorinnen und Autoren, die über den Mittleren Westen schreiben. Es gibt eine größere Vielfalt an Stimmen, was Klasse, Ethnie und Region angeht.

In der Geschichte spielen Werte wie Zusammenhalt, Verlässlichkeit, Vertrauen, Hilfsbereitschaft eine große Rolle. Welche Werte sind in Ihrem Leben besonders wichtig?

All diese, gemeinsam mit Mitgefühl und Empathie. Nach den letzten Jahren, die wir hier erlebt haben, können wir von alledem nicht zu viel haben.

(Die Interviewfragen stellte Sina Müller, © by Diogenes Verlag AG Zürich)

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